In Deutschland wird jährlich ein Vermögen vererbt, das zu einem Steueraufkommen an Erbschaft- und Schenkungsteuer von jährlich etwa 4,6 Mrd. Euro[1] führt. Ein nicht unerheblicher Teil des vererbten bzw. verschenkten Vermögens entfällt dabei auf Grundvermögen/Immobilieneigentum. Die Ermittlung der Grundstückswerte im Erb- oder Schenkungsfall ist somit von großer Bedeutung.

Nachdem bis 2008 Grundvermögen mit den niedrigen Einheitswerten bzw. Bedarfswerten angesetzt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtslage, nach der der Erbe von Immobilienvermögen weniger Erbschaftsteuer entrichten musste als der Erbe von Kapitalvermögen, für verfassungswidrig erklärt. Seither sind Grundstücke nach § 9 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes zu erzielen ist (Verkehrswert). Zur Ermittlung des gemeinen Wertes greift der Gesetzgeber auf die anerkannten Verfahren zur Verkehrswertermittlung nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) zurück. Dezidierte Einzelbewertungen von Grundstücken mit ausführlichen Ortsbesichtigungen können die Finanzämter auf Grund der hohen Fallzahlen nicht leisten. Daher wird auf typisierte Wertermittlungsverfahren zurückgegriffen. Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale wie z.B. Ecklage, Zuschnitt, Oberflächenbeschaffenheit, Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen, Instandhaltungsrückstände, Rechte und Altlasten bleiben außer Ansatz, was oftmals zu Werten führt, die zu hoch und am örtlichen Immobilienmarkt nicht erzielbar sind. In diesem Fall kann auf die Öffnungsklausel nach § 198 BewG zurückgegriffen werden. Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, den Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts über einen zeitnahen Verkauf an Fremde oder ein Wertgutachten zu erbringen. Die Beweislast für den niedrigeren gemeinen Wert trägt ausschließlich der Steuerpflichtige. Die Finanzämter verlangen ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen. Das Gutachten ist auf den zutreffenden Bewertungsstichtag (Tag der Steuerentstehung) zu erstellen. Das angewandte Wertermittlungsverfahren muss für das zu bewertende Grundstück geeignet sein. Zudem ist die Wahl des Verfahrens zu begründen. Die ImmoWertV kennt das Vergleichswert-, das Ertragswert- und das Sachwertverfahren. Sofern mehrere Verfahren angewandt werden, ist der Verkehrswert unter Würdigung der Aussagefähigkeit der Verfahren abzuleiten. Wird ein Sachverständiger beauftragt, muss dieser nicht zwingend öffentlich bestellt, sondern kann auch anderweitig qualifiziert sein. Allerdings ist nicht mit einer hohen Akzeptanz des Gutachtens zu rechnen, wenn dieses nicht von einem öffentlich bestellten Sachverständigen stammt. Das Gutachten ist nicht bindend für das Finanzamt. Eine Zurückweisung darf jedoch auch nicht willkürlich sein, sondern ist nur bei Mangelhaftigkeit zulässig. Im Einzelfall ist abzuwägen, ob die Einholung eines Gutachtens wirtschaftlich sinnvoll ist. Insbesondere bei ferneren Verwandtschaftsverhältnissen und den damit verbundenen niedrigeren Freibeträgen – bei Erwerb durch Geschwister, Schwiegerkinder oder fremde Dritte z.B. lediglich € 20.000 – und höheren Steuersätzen sollte die Einholung eines Gutachtens immer in Erwägung gezogen werden. Ein Gutachten, das den nach dem BewG anzusetzenden Grundbesitzwert von zunächst € 500.000 um 10% geringer bewertet, führt bei einem Steuersatz von 20% zu einem Steuervorteil von € 10.000. Diesem stehen Kosten für das Gutachten von ca. € 2.000 gegenüber. Für den Fall, dass sich aufgrund übereinstimmender Bewertungen seitens des Finanzamtes und des Sachverständigen keine Steuerreduzierung ergeben sollte, erhält der Steuerpflichtige durch das Sachverständigengutachten die wertvolle Information, wie hoch der Marktwert seines geerbten Immobilienvermögens tatsächlich ist. Diese Kenntnis kann er möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt bei eventuellen Erbauseinandersetzungen und/oder einem geplanten Verkauf der Immobilie nutzen.

Veröffentlichung: Casa Nova 15. Jahrgang, Okt/Nov.2014

Verfasser: 

Gereon Leuz

Von der Bergischen IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke, Leuz Bewertung, Wuppertal-Barmen

Dipl.-Ök. Andreas Böhmer

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Böhmer & Partner, Wuppertal-Elberfeld

[1] Quelle: Bundesministerium für Finanzen: www.bundesfinanzministerium.de